Berufsorientierung

Berufsorientierung für hochbegabte Jugendliche und junge Erwachsene im Coaching

Ungefähr im Kindergartenalter entwickeln Kinder erste Vorstellungen von einem Berufswunsch. Fragen wir eine Kindergartengruppe nach ihren Berufswünschen, tauchen bei den Mädchen neben Prinzessin häufig die Berufe Tierärztin und Lehrerin auf. Bei der Befragung geben die Jungen verstärkt Heldenberufe an, wie Feuerwehrmann, Polizist, Pilot oder Astronaut.

Die meisten hochbegabten Jugendlichen und junge Erwachsene entscheiden sich nach dem Abitur für ein Studium. Nur wenige absolvieren eine Ausbildung, die ihnen zu einem späteren Studium verhelfen soll. Der Druck auf die Jugendlichen (manche sind beim Abitur erst 16 Jahre alt), sich nach dem Abitur für ein Studium zu entscheiden, ist groß. Momentan gibt es über 22.000 verschiedene Studiengänge allein in Deutschland, und es entstehen immer neue Berufe und Berufsbezeichnungen. Den stärksten Einfluss auf ihre Entscheidung haben heutzutage die Eltern.

Was macht die Berufswahl für manche der hochbegabten Jugendlichen und jungen Erwachsenen so schwer? Die Ausgangslage können wir von zwei Seiten betrachten: die spezialisierten Hochbegabten oder die Allrounder. Hinzu kommen die Underachiever unter den Hochbegabten, von denen manche mit Unsicherheit und diffusen Ängsten in die Zukunft schauen. Ich halte die Spezialisten für die Gruppe mit den besten Voraussetzungen, da sie bereits früh klare Vorstellungen von ihrem Berufswunsch entwickelt haben und ihre Stärken sowie ihre Domäne kennen. Schauen wir uns zunächst diese Gruppe an.

Die Spezialistinnen und Spezialisten in der Berufsorientierung

Diese hochbegabten Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben bereits in ihrer Kindheit oder Jugend ziemlich klare Vorstellungen von ihrer Berufswahl. Auffallend ist, dass ihr Wissensstand, wenn sie ihre Domäne – beispielsweise im Bereich der Naturwissenschaften – schon früh selbst entdeckt haben, oft weit über den Schulstoff hinausgeht. Um dies zu veranschaulichen, habe ich zwei Beispiele aus der Praxis ausgewählt: Philipp und Nina.

Berufsorientierung-Dr.-Gardy-Hemmerde

Philipp – Ein Beispiel für hochbegabte Spezialisten

Philipp war in der 8. Klasse, als ich ihn kennenlernte. Schon zu Beginn des Schuljahres hatte er das Buch für den Physikunterricht durchgearbeitet und sich zusätzliche Lektüre besorgt. In der 9. Klasse dachte er über ein Früh- oder Juniorstudium in Physik nach. Um das Niveau des Studiums erreichen zu können, schloss er die Wissenslücken im Eigenstudium mit Unterstützung seines Physiklehrers. Im Klassendurchschnitt betrachtet gehörte er zu diesem Zeitpunkt nicht zu den besten Schülern, selbst in seiner Domäne Naturwissenschaft und Mathematik stand keine Eins auf dem Zeugnis. Trotz allem erlaubte ihm seine Schule die Teilnahme am Juniorstudium, unter der Bedingung, dass er die Fehlzeiten, die durch seine Abwesenheit in anderen Fächern entstehen würden, ausgleicht. Das Juniorstudium sollte ihm einerseits Gewissheit für seine Berufswahl geben und andererseits ihn intellektuell anregen. Philipp hätte sich auch ein Juniorstudium in Chemie, Elektrotechnik, Informatik oder einer anderen Ingenieurwissenschaft vorstellen können. Im Juniorstudium zeigte sich, dass seine Begeisterung für das Fach anhielt, und er bekam sogar die Möglichkeit, Klausuren am Ende des Semesters mitzuschreiben. Die Scheine der bestandenen Klausuren konnte er sich auf sein späteres Studium anrechnen lassen. Ein Nebeneffekt des Juniorstudiums war, dass sich trotz der entstandenen Fehlstunden seine Noten insgesamt verbesserten. Vor allem fand Philipp an der Universität einen Lernkontext, der seiner Hochbegabung entsprach. Zusätzlich hatte es auch einen starken Einfluss auf seine emotionale Stimmung. Seine Eltern berichteten, er sei seit dem Start des Juniorstudiums ausgeglichener und zufriedener geworden.

Nina – Hochbegabte Jugendliche auf dem Weg zum Musikstudium

Auch Nina gehört zu den Spezialistinnen. Sie wünschte sich mit 4 Jahren eine Geige. Ihre Eltern, selbst musikalisch, erfüllten ihr diesen Wunsch. Zu einem späteren Zeitpunkt kamen noch Klavier und Gitarre dazu, die sie sich selbst beibrachte. Sie kam ins Lerncoaching, weil sie trotz ihrer Hochbegabung in Latein und den Naturwissenschaften sehr schlechte Noten hatte. Unter Umständen hätte sie ein Jahr wiederholen müssen. Wir arbeiteten daran, wie sie trotz ihrer vielfältigen Freizeitaktivitäten ein gewisses Maß an Interesse und Zeit in die Schule investierte, um Fortschritte zu erzielen. Für Nina war schon mit 13 Jahren klar, dass sie nach dem Abitur ein Musikstudium beginnen würde. Alternativen wurden von ihr weder wahrgenommen noch in Betracht gezogen. Parallel zur Abiturphase bereitete sie sich intensiv auf die Aufnahmeprüfung der Musikhochschule vor, um das Studium im gleichen Jahr zu beginnen.

In beiden Fällen hatten sich die hochbegabten Jugendlichen bereits früh für eine Domäne entschieden und ihr Interesse mit einer beruflichen Zukunft verknüpft. Philipp und Nina nutzten das Coaching, um ihre Entscheidung zu reflektieren. Die Spezialistinnen und Spezialisten unter den Hochbegabten erlangen im Laufe ihres Lebens den Ruf von Expertinnen und Experten auf ihrem Gebiet.

Die Allrounder in der Berufsorientierung für Hochbegabte

Hier sprechen wir von der Gruppe der hochbegabten Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die auf ein breitgefächertes Interesse zurückgreifen. Sie zeigen in der Schule in jedem Fach Interesse und haben überdurchschnittlich oft gute Noten. Aussagen aus dieser Gruppe lauten häufig: „Ich könnte alles studieren, egal ob Mathematik oder Soziale Arbeit.“ Leider ist die Realität von Entscheidungen geprägt, und hier wird es schwierig. Das Abwägen zwischen den verschiedenen Möglichkeiten führt dazu, dass mit einer Entscheidung für ein Studium eine Vielzahl an anderen Möglichkeiten ausgeschlossen werden muss. Die Angst vor der falschen Wahl spielt in dieser Gruppe der hochbegabten Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine große Rolle. Oft erleben sie ihre Vielseitigkeit auch als Bürde.

Die Abbruchquote im Bachelorstudium liegt in Deutschland bei über 30 %. Ein entscheidender Aspekt, der diese Entscheidung erschwert, ist der Wunsch nach dem perfekten Studium, einem Studium, das in allen Facetten zur eigenen Persönlichkeit passt. Der perfektionistische Anspruch kann dazu führen, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in einer Entscheidungsunfähigkeit feststecken. Fatal wird es, wenn junge Erwachsene dabei verharren. Ihnen zu verdeutlichen, dass die Entscheidung für ein Studium nur eine Entscheidung für die nächsten drei Jahre ist, dass sie sich danach im Masterstudium auch einen anderen Schwerpunkt setzen können und dass durch eine spannende Fächerkombination die Vielfalt erhalten bleiben kann, ist vielen direkt nach dem Abitur nicht bewusst.

hochbegabung-kinder-jugendliche-coaching

Lea, die Unentschiedene, und das Kompetenzenspiel im Coaching

Manche Schülerinnen und Schüler verlassen die Schule, ohne genau zu wissen, worin ihre Kompetenzen bestehen und in welche Richtung ihre Berufswahl geht. Jeder Mensch verfügt über eine Vielzahl von Fähigkeiten und Kompetenzen, die sich aus der Annahme ableiten, dass jeder Mensch über die Ressourcen verfügt, sein Leben zu gestalten. Nun geht es darum, diese Ressourcen zu benennen. Im Coaching erhält ein Coachee die Möglichkeit, in einem besonderen Rahmen auf seine Kompetenzen zu schauen.

Im folgenden Beispiel aus der Praxis sehen wir Lea, die ein Jahr nach dem Abitur ins Coaching kam. Sie hatte ein freiwilliges soziales Jahr absolviert, in der Hoffnung, dass diese Erfahrung ihr bei der Berufsorientierung helfen würde. Sie hatte ein Abitur im 2er-Bereich und sprang seit einem Jahr zwischen verschiedenen Ideen hin und her. Sie weiß genau, welche Studienfächer für sie nicht in Frage kommen, aber die Entscheidung bleibt schwierig.

Im Coaching erstellen wir eine Liste ihrer Kompetenzen. Sie füllt achtundzwanzig Karten aus: Zeichnen, Texte schreiben, Verantwortung übernehmen, Organisieren, kommunikativ, sportlich, Gruppen anleiten, empathisch, sozial, lernwillig, improvisieren, Geschichte, selbstreflektiert, Humor, freies Sprechen, analytisches Denken, gelassen sein, nicht nachtragend, konfliktfähig, diskutieren, vielseitig, sprachbegabt, flexibel, Mathe, gutes Gedächtnis, sensibel, planvoll und kreativ.

Spielerisch nähern wir uns einer möglichen Berufswahl. Die Karten werden gemischt, und Lea soll drei blind ziehen. In der ersten Spielrunde zieht sie die Begriffe Organisieren, Gruppen anleiten und Improvisieren. Nach längerem Überlegen kann sie diese Kompetenzen gut mit zwei Berufen verbinden, nämlich Soziale Gruppenarbeit und Lehramt.

In der darauffolgenden Runde sortiert Lea die Karten nach ihren Top 5, also den Fähigkeiten, die sie am liebsten im Beruf einsetzen möchte. Als ihre Top 5 nennt sie:

  • Zeichnen
  • Mathe
  • Kreativ
  • Verantwortung übernehmen
  • Kommunikation

Das Nachdenken über diese Liste bringt sie auf die Idee, Psychologie oder Architektur zu studieren. Mit diesen beiden Ideen beginnt sie zu recherchieren, um zu mehr Klarheit zu gelangen. Letztendlich entscheidet Lea sich für Architektur, nachdem sie ein sechswöchiges Praktikum in einem Architekturbüro absolviert hat. Ihre mathematische Begabung und ihre Kreativität kommen hier gleichsam zum Einsatz.

Die Perspektive der Lebenswege von hochbegabten Erwachsenen

Die Lebenswege erwachsener Hochbegabter zeigen, dass viele von ihnen nicht nur ein Fach studiert haben. Ein Mediziner hat beispielsweise einen Abschluss in Philosophie, ein Biologe wendet sich der Soziologie zu, und ein Physiker hat eine Werkstatt eingerichtet, in der er Kunstwerke erschafft.

Ein Punkt, der in den Biografien Hochbegabter häufig auftaucht, ist, dass sie sich ein Leben lang weiterbilden, neue Sachgebiete erobern und öfters Umschulungen in Betracht ziehen.

Besonders die Vielseitigen unter ihnen zeigen oft diesen Drang. Wenn eine hochbegabte Studentin für ihr Studienfach brennt, erreicht sie durch ihren Lerneifer und ihr Lerntempo schneller ein hohes Niveau als ihre Kommilitonen. Wenn sie jedoch ein Plateau erreicht, kann es sein, dass das Interesse nachlässt. Dann beginnt die Suche nach einer neuen Herausforderung. Ein Blick auf die Lebensläufe der Vielseitigen zeigt dies deutlich.

business-coaching-hamburg

Fazit: Coaching für die Berufswahl von hochbegabten Jugendlichen und jungen Erwachsenen

Wenn ein Coaching zu Fragen der Berufswahl aufgesucht wird, stehen zwei zentrale Fragestellungen im Raum: Erstens die Reflexion der bereits getroffenen Wahl und zweitens eine generelle berufliche Orientierung. In der Reflexion liegt die Möglichkeit, zu neuen Entscheidungen zu gelangen und Wege zu denken oder auszuprobieren. Gerade die hochbegabten Underachiever benötigen für ihre nächsten Schritte Mut und Zuversicht. Die Allrounderinnen und Allrounder fühlen sich schnell gelangweilt und benötigen manchmal nur die Erlaubnis, weiterhin vielfältig zu sein. Eine Studentin fasste es in folgendem Satz zusammen: „Lebe die Vielfalt!“

Die Vorstellung, mit der Entscheidung für ein Studium für ein ganzes Leben an einen Beruf gebunden zu sein, trifft heute einfach nicht mehr zu. Auch darin liegt eine Chance für viele Hochbegabte.

Ihr Weg zu individueller Berufsorientierung durch Coaching

Wenn Sie Unterstützung bei der Berufswahl Ihres Kindes oder Ihrer eigenen beruflichen Orientierung benötigen, zögern Sie nicht, Kontakt aufzunehmen. Lassen Sie uns gemeinsam an Ihrer Klarheit und Zufriedenheit in Bezug auf die berufliche Zukunft arbeiten. Nutzen Sie die Chance, Ihre Stärken zu entdecken und den perfekten Weg für Ihre Zukunft zu gestalten!

Berufsorientierung

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert