Hochbegabte Kinder und Jugendliche in der Pubertät

Die Pubertät – eine herausfordernde Entwicklungsphase

Die Pubertät ist ein biologischer Prozess, den alle Kinder und Jugendlichen durchlaufen. Doch wie wirkt sich diese Phase speziell auf hochbegabte Kinder und Jugendliche aus? Die Pubertät wird durch Hormone gesteuert und bringt tiefgreifende Veränderungen mit sich – körperlich, emotional und sozial. Innerhalb dieser Phase gibt es Frühentwickler und Spätzünder, und die Bedeutung der Peergroup nimmt deutlich zu, während die der Eltern abnimmt.

Neurobiologisch betrachtet beeinflussen die Hormone das Gehirn stark: Alte neuronale Verbindungen werden gekappt, neue entstehen, und das Gehirn erlebt in dieser Übergangszeit eine Art „Chaos“. Im Podcast Begabungslust wurde dafür der treffende Begriff „Neuronenfasching“ geprägt – eine lebendige Beschreibung für das turbulente Geschehen im Gehirn.

Typische Auswirkungen der Pubertät sind:

  • Jugendliche verstehen klare Botschaften nicht mehr so gut und haben Schwierigkeiten, Prioritäten zu setzen.
  • Das Erlernen einer Fremdsprache wird mit Beginn der Pubertät oft schwieriger.
  • Die Risikobereitschaft steigt.
  • Die Empathiefähigkeit nimmt häufig ab.
  • Der Biorhythmus verschiebt sich.
  • Die Bedeutung der Peergroup wächst, die der Eltern nimmt ab.

Die hochbegabten Mädchen in der Pubertät

In der Pubertät stehen viele Herausforderungen an: Die Entwicklung eines eigenen Werte- und Moralsystems, der Aufbau tragfähiger Bindungen zu Gleichaltrigen, die Abnabelung vom Elternhaus sowie die Entwicklung der sexuellen Identität. Diese Phase dauert etwa vom 12. bis zum 18. Lebensjahr, wobei auch die körperliche Entwicklung gegen Ende ihren Abschluss findet. Die Pubertät ist geprägt von Ambivalenzen wie Abhängigkeit versus Unabhängigkeit oder Feminität versus Maskulinität. Für Eltern verändert sich die Erziehungsaufgabe – sie wird mehr zur Erziehungspartnerschaft. Am Ende dieser Phase soll ein selbstverantwortlicher Erwachsener stehen.

Die Pubertät bei hochbegabten Kindern und Jugendlichen

Wie erleben hochbegabte Kinder und Jugendliche diese Phase? Oft verläuft ihre Entwicklung asynchron zur Altersgruppe: Sie zeigen früh einen kognitiven Vorsprung, werden manchmal früher eingeschult oder überspringen Klassen. Doch der hormonelle Prozess der Pubertät lässt sich nicht beschleunigen oder verkürzen – hier sind sie wie alle anderen Jugendlichen.

Studien und Erfahrungen zeigen, dass hochbegabte Jugendliche die Pubertät intensiver erleben können und diese oft früher einsetzt. Nehmen wir Jan (13 Jahre), der eine Klasse übersprungen hat und nun mehr als zwei Jahre Altersunterschied zu seinen ältesten Mitschülern hat. Er beschreibt: „Früher war es echt nett in der Klasse, aber jetzt zicken die Mädchen rum. Ich weiß gar nicht, was das soll.“ Für ihn wurde der Altersunterschied durch die Pubertät spürbar größer, was negative Auswirkungen auf Freundschaften hatte.

Was ändert sich in der beginnenden Pubertät für hochbegabte Kinder?

Die hormonellen und körperlichen Veränderungen beeinflussen alle Lebensbereiche. Viele Enrichment-Angebote verlieren für die Kinder an Attraktivität oder fallen weg, weil sie für diese Altersgruppe nicht mehr angeboten werden. Interessen verschieben sich: Hochbegabte Kinder, die früher ständig gelesen haben, hören plötzlich auf; Timo, der seit der Grundschule begeistert Schach spielte, findet es langweilig; Nadine hört mit dem Klavierspielen auf und zieht sich auch von sportlichen Aktivitäten zurück.

Gleichzeitig steigen die schulischen Anforderungen in der 6. und 7. Klasse: Die Inhalte werden komplexer, die Fächervielfalt größer. Viele hochbegabte Kinder, die zuvor sehr gute Schüler waren, erleben nun eine Verschlechterung ihrer Noten. Eltern berichten häufig von mangelnden Lernstrategien – ein Problem, das besonders bei Jungen stärker auftritt.

Der Wachstumsschub fordert viel Energie, der Biorhythmus verschiebt sich: Jugendliche schlafen abends schlecht ein, stehen morgens schwer auf und sind tagsüber müde und unkonzentriert. Kai erzählt, dass er nur in den Schulferien seinem biologischen Rhythmus folgen konnte. Seine produktivste Zeit lag zwischen 20 Uhr und 4 Uhr morgens, was den Schulalltag für ihn zur Qual machte.

Die Pubertät – eine herausfordernde Entwicklungsphase

Die hochbegabten Mädchen in der Pubertät

Hochbegabte Mädchen schwanken oft zwischen Selbstvertrauen und Selbstzweifeln. Sie brauchen die Bestätigung ihrer Peergroup, denn der Kontakt zu Freundinnen setzt im Gehirn Dopamin und Oxytocin frei – Hormone, die Stress abbauen und Wohlbefinden fördern. Der Wunsch, ständig mit Freundinnen in Kontakt zu bleiben, ist groß und es gibt viel Tratsch und Klatsch.

Soziale Probleme sind bei hochbegabten Mädchen häufig: Sie mögen Smalltalk oft nicht und empfinden den Schulalltag eher als anstrengend. Ihr Anderssein und ihre intensive Gedankenwelt führen häufiger zu Ausgrenzung oder Mobbing. Eine stabile Freundschaft kann in dieser Phase sehr unterstützend sein, denn der Anpassungsdruck ist enorm.

Häufige Coaching-Anlässe bei Mädchen sind Mobbing sowie Unterforderung und Langeweile. Viele ziehen sich zurück, konzentrieren sich auf neue Hobbys und beteiligen sich wenig an den Spielen der Gleichaltrigen. Die sozialen Medien erhöhen den Druck zusätzlich: Das ständige „Immer-dabei-sein“ und „Immer-auf-dem-Laufenden-sein“ kostet viel Zeit und entspricht oft nicht den Interessen der hochbegabten Mädchen.

Die hochbegabten Jungen in der Pubertät

Der Testosteronspiegel steigt bei Jungen in der Pubertät um das Zwanzigfache. Dadurch können sie kommunikationsfeindlicher werden und sich zurückziehen – oft verbringen sie viel Zeit allein am Computer. Gleichzeitig suchen sie Konkurrenz und Konflikte, messen sich gerne mit anderen.

Beobachtungen zeigen, dass bei hochbegabten Jungen in der Pubertät häufig ein Leistungseinbruch auftritt, besonders ab der 6. Klasse. Neben steigenden schulischen Anforderungen kommt es zu einer Interessenverschiebung: Musikunterricht wird beendet, Hobbys wechseln. Die „Coolness“ dient oft dazu, Unsicherheiten zu überspielen und sich in der Gruppe zu behaupten.

Die erhöhte Risikobereitschaft gehört ebenfalls zur Pubertät: Jungen probieren Neues aus und testen Grenzen – dazu zählen leider auch Alkohol- und Drogenkonsum. Dennoch zeigen Studien, dass hochbegabte Jugendliche, die häufig Kontakt zu älteren Jugendlichen haben, weniger risikobereit sind als Gleichaltrige.

Viele Jungen kommen ins Coaching, um die Verschlechterung der schulischen Leistungen anzugehen. Mangelnde Lernstrategien und Schwierigkeiten in Selbst- und Arbeitsorganisation sind dabei zentrale Themen – auch bei sogenannten Underachievern.

Beide Gruppen fühlen sich oft älter als sie sind

Sowohl hochbegabte Mädchen als auch Jungen wirken in der Pubertät häufig reifer und älter als ihre Altersgenossen. Conny etwa analysiert Alltagssituationen sehr genau, was ihre Freundinnen manchmal überfordert. Frederik fühlte sich mit 14 Jahren wie 25. Im Coaching setzen sich die Jugendlichen mit ihrer Hochbegabung auseinander und reflektieren, worin sie sich von Gleichaltrigen unterscheiden.

Die Peergroup hochbegabter Jugendlicher

In der Literatur ist die Peergroup die Gruppe Gleichaltriger. Für hochbegabte Kinder und Jugendliche sind das jedoch oft Gleichgesinnte mit ähnlichen Interessen. Viele lernen sich über Enrichment-Kurse oder Mitgliedschaften bei Organisationen wie Mensa Deutschland kennen und knüpfen dort Freundschaften.

Die Peergroup hochbegabter Jugendlicher

Fazit – Hochbegabung und Pubertät: Herausforderungen gemeinsam meistern

Für Eltern ist die Pubertät ihrer hochbegabten Kinder oft eine besonders herausfordernde Phase. War ihr Kind schon früher willensstark und streitbar, verstärkt sich dies häufig in der Pubertät. Die Erziehungsaufgaben verändern sich, hören aber nicht auf. Dabei ist der elterliche Blick stark von den eigenen Erfahrungen geprägt: War die eigene Pubertät geprägt von strengen Regeln oder von viel Freiraum? Diese Prägungen beeinflussen, wie Eltern heute mit den Herausforderungen umgehen.

Pubertät gilt oft als Phase der Rebellion – doch gerade bei hochbegabten Kindern und Jugendlichen ist sie auch eine Zeit intensiver Selbstfindung und Neuorientierung. Die Kombination aus kognitiver Hochbegabung und den körperlichen sowie emotionalen Veränderungen macht diese Zeit besonders komplex.

Eltern können ihre Kinder unterstützen, indem sie Verständnis zeigen, offen kommunizieren und professionelle Hilfe wie Coaching und Supervision in Anspruch nehmen. Ein Coaching speziell für hochbegabte Kinder und Jugendliche kann dabei helfen, Lernstrategien zu entwickeln, Selbstorganisation zu verbessern und soziale Herausforderungen zu meistern.

Gerade in der Phase der Pubertät, in der sich Interessen verschieben und Freundschaften neu geordnet werden, ist es wichtig, dass hochbegabte Jugendliche einen sicheren Raum finden, in dem sie sich verstanden fühlen. Coaching bietet hier nicht nur Unterstützung bei schulischen Herausforderungen, sondern auch bei der Identitätsentwicklung und dem Umgang mit der Peergroup.

Eltern sollten sich bewusst machen, dass Hochbegabung und Pubertät eine besondere Kombination darstellen, die individuelle Begleitung erfordert. Mit der richtigen Unterstützung können hochbegabte Kinder und Jugendliche gestärkt aus dieser Phase hervorgehen – selbstbewusst, selbstorganisiert und bereit, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen.

Wenn Sie als Eltern spüren, dass Ihr Kind in der Pubertät Schwierigkeiten hat, die mit Hochbegabung zusammenhängen, zögern Sie nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Coaching kann Ihrem Kind helfen, die Herausforderungen dieser Lebensphase zu meistern und die eigenen Stärken zu entdecken.

Hochbegabte Kinder und Jugendliche in der Pubertät

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert