Was benötigen hochbegabte Kinder und Jugendliche?

Einleitung

Hochbegabung ist ein Thema, das viele Eltern beschäftigt und oft zu Fragen führt, wie man hochbegabte Kinder optimal unterstützen kann. Hochbegabte Kinder benötigen spezifische Ressourcen und Unterstützung, um sich wohlzufühlen und ihr volles Potenzial auszuschöpfen. In meiner langjährigen Erfahrung als Coach habe ich einige wesentliche Aspekte identifiziert, die für hochbegabte Kinder und Jugendliche von zentraler Bedeutung sind. Diese Aspekte bilden die Grundlage für ihre Entwicklung und ihr Lernen. Die folgende Liste umfasst vier essenzielle Punkte, die hier näher beleuchtet werden:

  • Wahrnehmung ihrer individuellen Fähigkeiten
  • Futter für den Kopf (Förderung von hochbegabten Kindern)
  • Schutz
  • Gleichgesinnte finden

1. Wahrgenommen werden in ihren individuellen Fähigkeiten

Hochbegabte Kinder und Jugendliche unterscheiden sich in vielen Bereichen von ihren Gleichaltrigen. Sei es der außergewöhnliche sprachliche Ausdruck, die Detailbesessenheit oder das ausgeprägte lösungsorientierte Denken – oft fühlen sich diese Kinder und Jugendlichen nicht richtig wahrgenommen. Diese Erfahrung bezieht sich häufig mehr auf die Schule als auf das Elternhaus. In Erstgesprächen im Coaching frage ich die Eltern immer, was sie besonders an ihrem Kind schätzen. Diese Frage fördert einen wertvollen Austausch über die besonderen Begabungen ihrer Kinder, die im Schulalltag oft nicht die notwendige Beachtung finden. Ein tiefes Verständnis für die individuellen Stärken der Kinder ist entscheidend, um eine positive und unterstützende Umgebung zu schaffen.

Beispiele könnten die Leidenschaft für technische Details, eine besondere Art von Humor oder die Fähigkeit sein, die Stimmung einer Gruppe sofort zu erfassen und im Hintergrund Lösungswege zu erarbeiten. Eine wichtige und einfühlsame Frage, die ich an die Kinder richte, lautet: „Was kann ich von dir lernen?“ Diese Frage nicht nur wertgeschätzt, sondern regt auch zur Selbstreflexion an und führt somit zu einem erhöhten Selbstwertgefühl. Im Kontrast dazu lade ich sie ein, ihre Abneigungen mitzuteilen: „Was magst du gar nicht?“

In über 20 Jahren als Coach habe ich faszinierende Vorträge über verschiedene Themen gehört, wie z.B. geologische Formationen, die Nutzung von Giften aus der Natur, die Zucht von Koi-Fischen, Schrödingers Katze und viele weitere spannende Inhalte. Einmal verbrachte ich eine Stunde damit, mit einem Jugendlichen verschiedene Sportschuhe zu analysieren, oder hörte mit einem Mädchen ihre Lieblingsmusik. Solche Erlebnisse ermöglichen es mir, meine Coachees besser kennenzulernen und viel Raum für ihre eigenen Ideen, Wahrnehmungen der Welt und Vorlieben zu schaffen.

Eine Mutter sagte im Erstgespräch, dass ihr Sohn Lukas (7 Jahre) sehr schlau sei. Lukas fühlte sich unwohl mit dieser Aussage und versuchte, sie abzuschwächen. Doch als ihm klar wurde, dass eine Coaching-Sitzung bei mir der Ort ist, an dem offen über seine Hochbegabung gesprochen werden darf, begann er zu strahlen. Sofort entstand eine lockere Atmosphäre. In der Vergangenheit hatte er oft die unangenehme Erfahrung gemacht, dass offene Gespräche über seine Hochbegabung bei anderen nicht gut ankamen. Diese erkennbare Freude über die Wertschätzung seiner Fähigkeiten ist für hochbegabte Kinder von großer Bedeutung.

In der Schule wahrgenommen werden

Ein Kind, das in der Grundschule mit seinem Wissen glänzen möchte, kann schnell die Lust am Unterricht verlieren, wenn ihm immer wieder gesagt wird, dass das Thema noch nicht behandelt wurde und es sich zurückhalten soll. Liegt ein Wissensvorsprung vor und das Kind möchte dies vor der Klasse zeigen, kann dies die Unterrichtsplanung der Lehrkraft erheblich erschweren. Fühlt sich ein Kind gelangweilt und nicht mehr wahrgenommen, kann es sich zum Störenfried entwickeln.

In meiner Erfahrung zeigt sich ein auffälliger Unterschied zwischen hochbegabten Jungen und Mädchen. Während Jungen dazu neigen, sich als Störenfriede zu verhalten, ziehen sich Mädchen eher zurück, erleiden Bauch- oder Kopfschmerzen, entwickeln Schulängste und neigen zu depressiven Verstimmungen.

Inzwischen gibt es viele Lehrerinnen und Lehrer, die im Umgang mit hochbegabten Kindern geschult sind und versuchen, im Rahmen des binnendifferenzierten Unterrichts einen Raum für die individuelle Förderung ihrer Schülerinnen und Schüler zu schaffen. Es ist wichtig, dass Lehrer die Vielfalt der Begabungen erkennen und anerkennen, um den Bedürfnissen der einzelnen Kinder gerecht zu werden.

Erfahrungen von hochbegabten Kindern im Unterricht können sehr unterschiedlich sein. Ein hochbegabter Junge ist oft frustriert, wenn seine Beiträge ignoriert oder sogar abgewertet werden, während ein hochbegabtes Mädchen in ihrem sozialen Umfeld Schwierigkeiten hat, Anschluss zu finden. Diese Diskrepanz führt oft dazu, dass sich hochbegabte Kinder mit ihren Fähigkeiten isoliert fühlen.

Wie wichtig es ist, dass Lehrkräfte selbst bereit sind, dazuzulernen und ihre Ansätze anzupassen, zeigt die Relevanz von Fortbildungen zu den Themen Hochbegabung und Differenzierung. Schulen müssen eine Kultur der Offenheit und des Respekts etablieren, in der hochbegabte Schülerinnen und Schüler ihre Talente entfalten können, ohne Angst vor Stigmatisierung oder Mobbing zu haben. Ein respektvolles und wertschätzendes Umfeld in der Schule ist entscheidend für den emotionalen und sozialen Ausgleich dieser Kinder.

2. Hochbegabte Kinder brauchen Futter für den Kopf

Hochbegabte Kinder sind oft von einer tiefen Wissbegier und Neugier getrieben. Finden sie ein Thema, das sie interessiert, möchten sie es durchdringen, alles darüber erfahren und ihre eigenen Ideen entwickeln. Manchmal flacht das Interesse ab, doch dann finden sie ein neues Thema, dem sie sich wieder mit ganzer Leidenschaft widmen. Wenn ein Grundschüler bereits die lateinischen Namen von einheimischen Bäumen und vielen Pflanzen kennt, wird ihn der Sachkundeunterricht in der Schule möglicherweise nicht mehr begeistern.

Die Schule hat die Verantwortung, alle Klassenmitglieder mitzunehmen, und zwar in einer anregenden Lernumgebung. Um hochbegabte Kinder zu fördern, sind sowohl Qualität als auch Flexibilität in den Unterrichtsmethoden gefragt. Lehrer müssen in der Lage sein, den Unterricht so zu gestalten, dass er den unterschiedlichen Bedürfnissen aller Lernenden gerecht wird. Dazu gehören individualisierte Aufgaben, Projekte und zusätzliche Angebote in Form von Workshops oder speziellen Projekten.

Förderangebote für hochbegabte Kinder und Jugendliche gibt es vielfältige. Dazu zählen sowohl Akzeleration (beschleunigtes Lernen) als auch Enrichment-Angebote, die vertiefendes Lernen ermöglichen. Zu den Akzelerationsmaßnahmen gehören vorzeitige Einschulung, das Überspringen von Jahrgangsstufen sowie das Drehtürmodell, bei dem, hochbegabte Kinder in ausgewählten Fächern in einer höheren Klasse unterrichtet werden. Diese Programme helfen, Langeweile und Unterforderung zu minimieren und den Lernprozess zu optimieren.

Die Enrichment-Angebote bieten außerhalb der Schule zusätzliche Möglichkeiten für Kinder, ihre Interessen zu vertiefen. Beispiele für solche Aktivitäten sind Arbeitsgemeinschaften, die Teilnahme an Wettbewerben wie der Mathe-Olympiade oder „Jugend forscht“, sowie Sommerferiencamps von Organisationen wie Mensa Deutschland e.V. Darüber hinaus bieten viele Universitäten mittlerweile Früh- oder Juniorstudien an, bei denen Schülerinnen und Schüler auf einem höheren akademischen Niveau unterrichtet werden.

Ob und welche Angebote von den Kindern und Jugendlichen genutzt werden, hängt stark von ihrer persönlichen Motivation ab. Viele meiner Coachees berichteten mir, dass ihr Interesse an Enrichment-Kursen während der Pubertät nachlässt, da der soziale Druck und das Streben nach Identität im Vordergrund stehen. Dennoch wechseln einige hochbegabte Jugendliche nach einer Phase der Inaktivität in ein Juniorstudium oder nehmen an Workshops teil, um ihre Interessen besser verfolgen und Gleichgesinnte finden zu können.

3. Schutz hochbegabter Kinder und Jugendlichen

Ein ernstes Problem, mit dem viele hochbegabte Kinder und Jugendliche konfrontiert sind, ist Mobbing. Mobbing lässt sich durch die drei Merkmale Wiederholung, Verletzung und Machtausübung definieren. Es geschieht über einen längeren Zeitraum, und die Attacken wiederholen sich und werden häufig intensiver. Die Täter haben oft die klare Absicht, ihre Opfer zu verletzen, und häufig herrscht ein Machtungleichgewicht auf Kosten der Opfer.

Bei hochbegabten Kindern ist es jedoch nicht der schwächere Schüler, der oft im Fadenkreuz der Täter steht, sondern das „Andere“. Mobbing kann bereits mit kleinen kränkenden Bemerkungen beginnen, die sich in tägliche Beschimpfungen oder körperliche Angriffen ausweiten. In den schlimmsten Fällen sind die betroffenen Schüler gezwungen, die Schule zu wechseln. Hochbegabte Kinder und Jugendliche sind häufig in der Lage, die Situation gut zu überblicken und versuchen, das Problem eigenständig zu lösen. Oft wenden sie sich erst sehr spät an ihre Eltern oder andere Vertrauenspersonen.

Die Verletzungen, die sie dabei erleiden, werden oft heruntergespielt und die Vorfälle entdramatisiert, während die Kinder im Hintergrund bereits an einer eigenen Strategie arbeiten, um mit der Situation umzugehen. Mobbing ist heutzutage an vielen Schulen ein großes Problem, dessen Ursachen vielfältig sind. Die Nachwehen können schwerwiegende Langzeitfolgen haben, darunter Traumatisierung, Schulangst, sozialer Rückzug, Phobien und Schulverweigerung.

Mobbing hochbegabter Kinder durch Lehrerinnen und Lehrer

Ein besonders heikles Thema ist das mögliche Mobbing durch Lehrkräfte. Gelegentlich berichten mir Eltern, dass ihre Kinder vor der Klasse bloßgestellt werden, insbesondere wenn ihnen in einer Schulsituation ein Fehler unterläuft. Oft war die Schule bereits über die Hochbegabung des Kindes informiert.

So erzählte mir eine Mutter von ihrer Tochter Nina. Sie hatte die Klassenlehrerin bei der Einschulung über Ninas Hochbegabung informiert. Im Laufe des zweiten Schuljahres änderte sich jedoch das Verhältnis zwischen Lehrerin und Schülerin. Ein Fehler in einer Matheaufgabe führte zu einer öffentlichen Bloßstellung: „Du bist doch so schlau, wie kann dir denn so ein Fehler unterlaufen?“ Diese Art von Vorfällen wiederholte sich, sodass Nina schließlich davon überzeugt war, dass sie Mathe nicht gut kann. Mit der Zeit wurde sie immer unsicherer, und es entwickelten sich Bauchschmerzen vor Mathearbeiten. Die Mutter fand erst sehr spät heraus, dass diese Kommentare der Lehrerin die Ursache für das Verhalten ihrer Tochter waren.

Viele hochbegabte Kinder gelten als hochsensibel, was sich auf unterschiedliche Weise äußern kann. Sie vermeiden beispielsweise laute Gruppen, empfinden starke Geruchsempfindlichkeiten oder haben Schwierigkeiten, sich in neuen Umgebungen zurechtzufinden. Eltern können ihre Kinder nicht rund um die Uhr beschützen, aber je besser sie verstehen, was ihr Kind braucht, desto besser kann es gelingen, ihnen durch einen unterstützenden und verständnisvollen Lebensraum zu helfen.

4. Hochbegabte Kinder benötigen Gleichgesinnte

Kommen wir zu dem letzten Punkt der Liste: das Finden von Gleichgesinnten. Im Kontext von Hochbegabung bedeutet Gleichgesinnte nicht unbedingt die natürliche Peergroup von Gleichaltrigen. Da hochintellektuelle Hochbegabung nur 2-3% eines Jahrgangs betrifft, ist es unwahrscheinlich, dass in einer Klasse mehrere hochbegabte Kinder anzutreffen sind.

Nehmen wir an, ein Kind hat bereits eigene Interessen entwickelt, etwa in den Bereichen Technik oder Astrophysik. Es setzt sich auf einem Niveau mit diesen Themen auseinander, wohingegen andere Klassenkameraden oft nicht folgen können. Wenn das Kind an einem Robotik-Kurs teilnimmt, findet es eher Gleichgesinnte in diesem Umfeld als in seiner Klasse. Hochbegabte Kinder haben wiederholt die Erfahrung gemacht, dass sie, wenn sie nach dem Wochenende stolz über ihre Interessen im Unterricht sprechen möchten, auf Desinteresse oder Unverständnis stoßen.

Ein 12-jähriger Junge erzählte mir, dass er sehr gerne Kunstmuseen besucht. Als er dies einmal in der Klasse erwähnte, fanden es seine Mitschüler lächerlich. Seine Eltern, die selbst keine kunstinteressierten Menschen sind, haben ihn nur zu Ausstellungen mitgenommen, weil es sein Wunsch war. In solchen Fällen hätte das Kind einen Mentor gut gebrauchen können – sei es ein Kunststudent oder jemand, der sich mit Kunstgeschichte auskennt –, um seine Leidenschaft für das Thema zu fördern und ihm eine wertvolle Perspektive zu bieten.

Treffpunkte für Familien mit hochbegabten Kindern

Die passenden Freunde zu finden, ist für hochbegabte Kinder und ihre Familien nicht immer einfach. Oft finden sie Gleichgesinnte nicht in ihrem Klassenverband, sondern auf Veranstaltungen von Organisationen wie der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind (DGhK e.V.) oder Mensa e.V., einem Verein, dessen Mitglieder einen IQ von über 130 Punkten nachweisen müssen.

Die DGhK e.V. organisiert regelmäßig Elternstammtische, die allen Familien offenstehen. Hier können Eltern Erfahrungen austauschen und Informationen zu regionalen Angeboten sammeln. Mensa e.V. bietet ebenfalls spannende Veranstaltungen an, die auch für Kinder geeignet sind. Dazu gehören beliebte Feriencamps, Wochenendausflüge und eine Vielzahl weiterer Events. Solche Veranstaltungen sind nicht nur Gelegenheiten zur Standortbestimmung, sondern fördern auch die sozialen Fähigkeiten und das Selbstbewusstsein der Kinder.

Das Bedürfnis der Kinder und Jugendlichen, sich einer Gruppe zugehörig zu fühlen, ist zentral. Wenn hochbegabte Kinder keine Gleichgesinnten in ihrem Alltagsleben finden, kann das frustrierend sein. Wiederholt haben mir meine Coachees begeistert von den Erfahrungen in den Feriencamps berichtet. Dort fanden sie Freundschaften, die sie in ihrer direkten Umgebung nicht hätten schließen können. Ein 14-jähriges Mädchen erzählte, dass sie sich nach den 14 Tagen im Sommercamp wieder daran gewöhnen musste, sich zurückzunehmen. Dies betraf sowohl ihr schnelles Sprechen als auch ihre sprunghaften Gedanken.

In der Schule wurde sie oft gefragt, wie sie auf bestimmte Ideen gekommen sei, aber im Camp hatte sie Gleichgesinnte gefunden, die nie nachfragten und sich nicht erklären musste. Diese Zeit empfand sie als außergewöhnlich belebend und erfüllend.

Fazit

Neben den erzieherischen Herausforderungen, die ein hochbegabtes Kind mit sich bringt, ist es ausgesprochen notwendig, dass sich die Eltern vernetzen, passende Angebote für ihre Kinder suchen und sich bewusst machen, dass die Kinder zwar schlau sind, aber nicht alle Probleme selbst lösen können. Eltern sind gefordert, ihre hochbegabten Kinder zu unterstützen und ihnen die nötige Sicherheit zu geben, damit sie ihre Talente entfalten können.

Hochbegabte Kinder benötigen einfühlsame Lehrkräfte, die ihre Fähigkeiten wertschätzen, ebenso wie soziale Kontakte zu Gleichgesinnten, um sich in ihrer Einzigartigkeit akzeptiert zu fühlen. Durch eine gezielte Förderung in einem unterstützenden Umfeld können hochbegabte Kinder gezielt aufblühen, und ihre einzigartigen Fähigkeiten in eine positive Richtung entwickeln. Indem Eltern und Fachkräfte gemeinsam an einem Strang ziehen, können sie eine Umgebung schaffen, in der hochbegabte Kinder gedeihen können, ohne sich isoliert oder missverstanden zu fühlen.

Wenn Sie mehr über die Förderung hochbegabter Kinder erfahren möchten oder Unterstützung im Coaching suchen, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Gemeinsam können wir die bestmöglichen Strategien entwickeln, damit Ihre Kinder erfolgreich und glücklich wachsen können.

Was benötigen hochbegabte Kinder und Jugendliche?

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